Ein Déjà-vu
8:00 Uhr, Freitagmorgen, Frankfurter Hauptbahnhof.
Es ist kalt. 6 Schülerinnen und Schüler der Q-Phase des Beruflichen Gymnasiums Groß-Gerau haben einen Déjà-vu mit Herrn Rubke auf Gleis 8. Denn in 14 Minuten fährt der ICE ab. Diesmal geht es Richtung Osten; und zwar in den Osten von Ost-Berlin: Ostkreuz. Für Frau Eißler, Schulsozialarbeiterin, ist es eine emotionale Reise in die Vergangenheit, denn sie lebte zwei Jahre in Berlin.
Youth for Peace: 100 Botschafter für den Frieden
So lautete die Ausschreibung für eine internationale Friedensveranstaltung in Berlin im Februar 2018. Unsere Bewerbung vom 10. April 2018 wurde von der Jury angenommen und so kam es, dass sechs Schülerinnen und Schüler aus dem Französischkurs des Beruflichen Gymnasiums die BSGG in Berlin vor internationalem Publikum repräsentieren durfte. Das deutsch-französische Friedensprojekt fand vom 16 bis 18 November statt. An dem Treffen in Berlin nahmen insgesamt 500 Jugendliche aus 48 Ländern in Europa, Afrika und dem Nahen Osten teil, um darüber zu diskutierten, wie der Frieden in einer unruhigeren Welt gesichert werden kann.
Kultur pur und drei Tage Berlin für 0,00 Euro
Die Vorbereitung auf das Friedensprojekt betrug ganze acht Monate, in denen wir Romanistinnen und Romanisten im Lernzentrum der BSGG fleißig und intensiv insgesamt sechs Friedensvorschläge ausarbeiteten, die im Rahmen der ganztägigen Workshops in Berlin vorgestellt wurden. Finanziert wurde das Ganze von dem <link https: www.dfjw.org external-link-new-window internal link in current>Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) bzw. vom <link https: www.france-allemagne.fr external-link-new-window internal link in current>Office franco-allemand pour la Jeunesse (OFAJ), die die Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung für alle Teilnehmer übernahm. Dazu gehörten beispielsweise eine Podiumsdiskussion und ein üppiges Abendessen mit Hummer und, vermutlich russischen, Beluga Kaviar in der französischen Botschaft Berlin, von wo man einen einmaligen Blick auf das Brandenburger Tor hat. Großzügiger konnte diese – fast schon größenwahnsinnige – Veranstaltung nicht ausfallen. Die Endrechnung für die drei Tage in Berlin für knapp 500 Jugendliche, 100 Lehrkräfte, 20 Mentoren und Mitarbeitern und das komplette Orga-Team inkl. Einladung der beiden Präsidenten möchten wir den deutschen und französischen Steuerzahlern lieber vorenthalten. Die Message war ziemlich eindeutig: Der Weltfriede hat seinen Preis! Und es ist eine tägliche Entscheidung, für den Frieden zu kämpfen. Das hört sich erstmal ziemlich paradox an, aber das Wochenende in Berlin hat uns allen gezeigt, dass der Kampf für den Frieden, der einzige Kampf ist, für den es sich lohnt zu kämpfen.
Zwei Präsidenten zum Anfassen nah
Im Berliner Kosmos fand am Sonntag vor 500 Jugendlichen aus ganz Europa die Abschlussveranstaltung statt. Dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wurden die drei besten Friedensideen von Jugendlichen vorgestellt. Gefördert wurden Initiativen, die Ansätze oder Instrumente zur Unterstützung der Erinnerungsarbeit anwandten und sich der Vermittlung friedlicher Werte widmeten. Eine Forschergruppe wird diese Projekte evaluieren und ihren Beitrag zum Aufbau einer gemeinschaftlichen Erinnerungskultur angesichts der gemeinsamen Geschichte identifizieren.
Die Europe-Line
Auf dem ersten Platz stand die Idee einer „Europe Line“. Ähnlich wie in „Pokemon Go“ gibt es in verschiedenen Städten Punkte oder Stopps, angezeigt durch eine App, die eine Aussagekraft für Europa haben bzw. Gedenkstätten in verschiedenen Ländern verbinden. Die Europe-Line könnte man auch mit dem Jakobsweg vergleichen: Eine Anzahl von Pilgerwegen durch ganz Europa und darüber hinaus. Die Europe-Line soll eine konkrete Linie sein, die man sehen und anfassen kann. Sie soll Menschen dazu anregen, die Europe-Line zu bereisen und dabei die Vergangenheit und die Kulturen zu studieren. An den Spots könnten auch reale Kontakte geknüpft werden, aber auch Chat-Kontakte, durchaus mit Übersetzter. Jede Stadt in jedem Land kann dazu beitragen und sich für die Europe-Line bewerben und begründen, warum sie zur Europe-Line gehören wollen.
In der darauffolgenden Debatte lobten beide Präsidenten die hervorragenden Ergebnisse der Jugendlichen und warben für mehr Weltoffenheit und ein „offenes Europa“. Macron betonte, dass die Jugend die Vergangenheit kennen müsse, wenn sie die Gegenwart verstehen und die Zukunft aufbauen will. „Wir befinden uns an einem sehr wichtigen Zeitpunkt unserer Geschichte“, sagte Macron. Er appellierte an die Jugendlichen: „Schafft ein offenes und ehrgeiziges Europa.“
Herr Steinmeier forderte neue Ideen, die nötig seien, um das Versprechen „Nie wieder Krieg“ zu erneuern und den Frieden nachhaltig zu sichern, „denn die kostbarsten Ideen seien die zerbrechlichsten“. Zudem mahnte er dazu, aus der Geschichte zu lernen, um neue Missverständnisse zu vermeiden. Zum Schluss wurde ein Gruppenfoto mit alles Jugendlichen und den beiden Präsidenten in der Mitte gemacht; Gänsehaut pur, wenn Herr Steinmeier und der mächtigste Mann Europas keine 5 Meter von uns entfernt für ein gemeinsames Gruppenfoto in die Kamera lächeln.
Im Rahmen des Projekts „100 Botschafter für den Frieden“ hat die BSGG vom Institut français Deutschland (IFA) eine Zuwendung in Höhe von 850€ für die Durchführung des Projekts an unserer Schule erhalten. Ein großes Dankeswort an unseren Französischlehrer, Herr Rubke und unsere Schulsozialarbeiterin Frau Eißler, die uns dieses spannende Projekt in Berlin ermöglichten und uns dabei grenzenlos unterstützten.
In den kommenden Wochen erhalten die Schülerinnen und Schüler eine offizielle Bescheinigung über ihre Teilnahme an dem Projekt „100 Botschafter für den Frieden” und an der internationalen Jugendbegegnung <link https: www.dfjw.org youth-for-peace.html external-link-new-window internal link in current>Youth for Peace in Berlin.
Yessica Schmiedeke (PDS) schreibt:
An Berlin hat mich am meisten beeindruckt, dass ich Leute aus verschiedenen Ländern kennengelernt habe. Und jedes Mal, wenn ich etwas über eines dieser Länder lese oder höre, verbinde ich das mit den Menschen, mit denen ich meine Vorstellungen und Meinungen teile.
Vivian Gehron (13BG) betont:
Es war eine neuartige Erfahrung für mich, Teil einer großen Idee zu werden. Ich habe mit viel Spaß an den Workshops und den Veranstaltungen teilgenommen, auch wenn man uns die Müdigkeit vielleicht am Abend ein wenig ansehen konnte. Vor allem freute ich mich darüber, dass ich viele verschiedene Kulturen und Geschichten anderer Teilnehmer kennen lernen durfte. Leider konnte unsere Gruppe ihre Ideen und Projekte nicht adäquat einbringen. Es ist etwas enttäuschend, dass von so vielen Projekten den beiden Präsidenten letzten Endes nur drei vorgetragen werden konnten. Dennoch finde ich es sehr gut, dass man sich mit solch einem wichtigen Thema wie „Frieden“ beschäftigt und vor allem junge Menschen dazu animiert werden, sich Gedanken darüber zu machen. Botschafterin für den Frieden zu sein, hat mich nachhaltig von Europa und der Verständigung zwischen den Völkern überzeugt.
Laura Lopinski (13BG) ergänzt:
Drei Tage in Berlin, in denen man nicht hätte mehr über die Wichtigkeit des Umgangs mit anderen Menschen und die Bedeutsamkeit der europäischen Union und generell Europa lernen können. Man durfte zahlreiche Menschen aus aller Welt kennen lernen und bekam die Möglichkeit, sich mit ihnen über alles auszutauschen. Beispielsweise habe ich erfahren, dass man in Ägypten zum Tode verurteilt wird, wenn man sich öffentlich als Homosexuell „outet“. Dies konnte ich nur erfahren, da ich mich mit einem Mädchen aus Ägypten austauschen konnte. Die verschiedenen Kulturen brachten eine große Vielfalt mit sich und auch viel Raum für Diskussionen. Dadurch erfuhr man beispielsweise, wie abweichend die Interpretation von Frieden in den verschiedenen Kulturen ist. Auch das Thema „Frieden“ an sich gefiel mir sehr gut, denn man hat sich mal tatsächlich mit etwas beschäftigt, was man in Deutschland beispielsweise nahezu für selbstverständlich hält. Dadurch kam ich auch zu der Erkenntnis, dass man nicht alles als selbstverständlich betrachten kann. Auf dieser Fahrt konnte man sich also auf vielfältige Art und Weise weiterbilden.