Wie im Vorjahr besuchten der 12er Biologieleistungskurs sowie der -grundkurs unter der Leitung von Herrn Roos das börsennotierten Biotechunternehmen BRAIN AG, um zum Abschluss des die Qualifikationsphase 1 beherrschenden Lehrinhalts der Genetik einen praktischen Einblick in die industrielle Anwendung der Gentechnik zu erhalten.
Nach einer einstündigen Zugfahrt und einem kurzen Fußmarsch zur im beschaulichen südhessischen Zwingenberg ansässigen Hauptzentrale der BRAIN AG, wurde die Gruppe freundlichst vom Head of Public Relations, zu Deutsch: Chef der Öffentlichkeitsarbeit, Thomas Deichmann empfangen. Im modern eingerichteten Vorstellungsfoyer wurden die Schülerinnen und Schüler zunächst über den Gegenstand des Biotechunternehmens im Allgemeinen, insbesondere jedoch über dessen Marktstrategie und Pionierdasein in der ambitionierten Branche der biologisierten Industrie belehrt und über die Wichtigkeit dieses Marktsegments aufgeklärt.
Vor allem die „Engineering Biology“ spielt in der Unternehmensphilosophie der BRAIN AG eine große Rolle. Sie bezeichnet die technologische Nutzung biologischer Prozesse und Gesetze zur Erzeugung eines Mehrwerts für die Wirtschaft und die Konsumenten. Hierbei kooperiert das Unternehmen speziell mit Konzernen in den Branchen Kosmetik, Chemie, Nahrungsmittel und Medizintechnik. Hauptgegenstand der Kooperation ist die Entwicklung biochemischer Verfahren zur Entwicklung neuartiger Produkte und der Ausgestaltung nachhaltiger Herstellungsprozesse zu deren Optimierung und Ökonomisierung. Dafür entwickelt die BRAIN AG unter Anderem Enzyme für Waschmittel, Biokraftstoffe, Vitamine und Aminosäuren.
Von einem Forschungsmitarbeiter Dr. Christian Zurek des Biotech-Unternehmens wurden die Kursteilnehmer folglich in die Welt der ökonomisch genutzten Biologie eingeführt, wobei das Beispiel der biotechnischen Alginatgewinnung zur Erklärung herangezogen wurde. Alginat wird vornehmlich aus dem Abbau von Braunalgen gewonnen und findet seine Hauptanwendung in der Lebensmittelindustrie als Verdickungs- und Geliermittel, wird jedoch ebenfalls zur medizinischen Wundversorgung und in der Zahnmedizin verwendet.
Da die Braunalge ein fossiler Rohstoff ist, stellt sie für die Wirtschaft ein potentielles Wachstumshemmnis dar und lässt den Wunsch nach einer industriellen Alginatherstellung auftreten. Durch entsprechende Gensequenzierung und -expression ist es der BRAIN AG schließlich im Auftrag eines großen Unternehmens gelungen, unter der Nutzung bestimmter Bakterien auf molekularer Basis Alginate herzustellen. Hierzu mussten mehrere Gene zugänglich und modifiziert werden, um entsprechende Enzyme gezielt auf die Herstellung jener Substanz zu trimmen und diese unter der Wahrung industriellen Standards zu veräußern.
Zur nochmaligen Vertiefung des gelernten Inhalts trug der Bioinformatiker Dr. Paul Scholz bei, der in einem kurzweiligen Vortrag das sogenannte „Next Generation Sequencing“ vorstellte und damit die informatische Seite der biotechnischen Produktion verdeutlichte. Im Rahmen dieser neuartigen Sequenzierung ist man in der Lage, per außerordentlicher Serverleistung den genetischen Code eines Organismus zu erfassen. Dadurch können die Gene gefunden werden, die im Rahmen der Anpassung des Organismus an industrielle Anforderungen „ein- oder ausgeschaltet“ werden müssen. Hierbei spielt auch die Einpflanzung externer Gene durch die CRISPR-Technologie eine Rolle.
Zum Abschluss des Besuchs wurde den Schülerinnen und Schülern eine umfassende Führung durch die Forschungsabteilung der BRAIN AG gewährt. Diese verlieh umfangreiche Impressionen über die tägliche Arbeit der beschäftigten Forscher und Laboranten, wie auch die hochmoderne Technologie, die zur Arbeit herangezogen wird. Auch das mehrere Tausend Mikroorganismen umfassende Bio-Archiv des Unternehmens wurde detailliert veranschaulicht und hinterließ bleibenden Eindruck bei den sichtlich begeisterten Schülern.
Zusammenfassend war der Besuch eines auf industrielle Biotechnik ausgerichteten Unternehmens, das insbesondere gentechnische Methoden nutzt, eine großartige Erfahrung für alle beteiligten BG-Schüler und ein zielführendes Beispiel für die lukrative, allgegenwärtige und sehr ambitionierte Anwendung der genetischen Biologie. Durch die gesammelten Impressionen erhielten die Lernenden einen Einblick in die Wichtigkeit des Lernstoffs Genetik und bekamen ein Gefühl dafür, dass die Genetik in Zukunft einen sehr wichtigen ökonomischen Einfluss auf Konsumenten aller Branchen ausüben wird und den wohl am schnellsten wachsenden Markt der internationalen Wirtschaft darstellt.
Thomas Hlubek