Blut oder Erdbeersauce?

Schüler-Lehrer-Theater der BSGG lädt zum Krimi-Dinner. Produktion „Nichts Süßes“ vereint Spannung, pädagogischen Anspruch und kulinarischen Genuss.

Es ist eine wirklich reizende Familie, die ihre Gäste bereits an der Tür zum großzügigen, edel eingedeckten Speisezimmer mit einem Glas Sekt empfängt: „Schön, dass Sie gekommen sind!“, „Wir freuen uns so!“ „Ach, kommen Sie doch herein!“…. Ein warmes Willkommen, gepflegter Smalltalk, auch wenn der Anlass traurig ist: Gilt es doch, dem jüngst verstorbenen Familienpatriarchen Friedrich Hardenberg bei Lachstatar, Huhn im Speckmäntelchen und frischem Spargel die letzte Ehre zu erweisen. Zwar schon über 70, doch bis zuletzt voller Energie und unternehmerischem Tatendrang wurde Hardenberg plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen. Der Schock der Hinterbliebenen sitzt tief, aber mit eisernem Willen bewahren Witwe, leibliche und adoptierte Kinder sowie deren Partner beim Dinner zu Ehren des großen Toten die Contenance. Man weiß, was man sich schuldig ist – zumindest zunächst noch…

Neuland in vielerlei Hinsicht

Hach, spannend ist dieser Abend – und das nicht nur wegen des angekündigten Krimis! Mit ihrer Produktion „Nichts Süßes“ betritt die Theater AG der BSGG nämlich gleich in mehrfacher Hinsicht Neuland. Das beginnt in der Tat bereits mit dem wunderschön inszenierten Sektempfang zu Beginn: Es gibt im klassischen Sinn keine Bühne. Schauspieler und Gäste sitzen auch später gemeinsam an einer großen Tafel, die Distanz zwischen ihnen ist vollkommen aufgehoben. „Daran muss man sich erst einmal gewöhnen“, heißt es vor der Premiere aus dem Ensemble. „Wir sind wirklich mittendrin, und wir wissen ja auch nicht was passiert, wie sich das Publikum mit uns am Tisch verhält.“ Man werde im Verlauf des Stücks sicher improvisieren müssen.

Risse in der Fassade

Die Atmosphäre zwischen Ensemble und Publikum verändert sich im Lauf des Essens schon allein deshalb, weil sich auch die Atmosphäre unter den Mitgliedern des Hardenberg-Clans deutlich verändert: Schon bei der Vorspeise werden Risse in der großbürgerlichen Fassade sichtbar, brechen alte Fehden zwischen den Familienmitgliedern auf. Gekränktheiten, Neid und gegenseitige Verachtung schwappen über den Tisch, und auch am Denkmal des Patriarchen wird eifrig mit dem Abrisshammer geklopft. Vom Misstrauen zum Verdacht ist es dann nur noch ein kleiner Schritt: Friedrich Hardenberg wurde ermordet! Von einem Familienmitglied! Fragt sich bloß noch, von welchem!

Schüler und Lehrer gemeinsam im Ensemble

Diese Verwandlung mit anzusehen macht den ganzen Abend lang unglaublich großen Spaß! Die Entlarvung des Familienstrebers, der – möglicherweise – über eine Leiche gehen würde, um die Firma des Vaters konservativ in dessen Sinne weiterzuführen; der windige Projektmanager ohne Projekte, casual in Schal und Jeans, der sogar an diesem Abend noch zu spät zum Essen kommt; und die – nun ja – dem Alkohol nicht ganz unabgeneigte Besitzerin eines Kosmetikstudios... Sie alle sind wundervolle Charakterstudien, fein herausgearbeitet und liebevoll in Szene gesetzt von der langjährigen AG-Leiterin Dr. Christine Bernd und ebenso grandios gespielt von: Schülern und Lehrern.

Denn auch das ist neu in dieser Produktion: Schüler und Lehrer spielen gemeinsam in einem gemischten Ensemble. „Das war schon gewöhnungsbedürftig“, erzählt Julian vor der Premiere. „Da bist Du mit einem Lehrer, den Du aus dem Unterricht kennst, plötzlich auf einer Ebene.“ Und man stelle plötzlich fest, dass dieser privat ganz anders sei, als vor der Klasse.

Das schauspielende Kollegium bewertet die Zusammenarbeit durchweg positiv: „Das ist eine andere Brücke zwischen Lehrer und Schüler, als im Unterricht“, sagt einer. Und:. „Es ist gut, so etwas zusammen zu machen. Ich nehme Julian hier ganz anders wahr.“

BSGG-Küche in einer Hauptrolle

Der Theaterabend als Krimi-Dinner, das hat aber noch eine weitere Dimension, und zwar eine, die die ganz besonderen Möglichkeiten aufzeigt, über die die BSGG als Berufsschule verfügt und sie auch im Bereich Theater zu etwas ganz Besonderem macht: Im Laufe des Dramas im Hause Hardenberg wird nämlich tatsächlich sehr gut gegessen! Die exzellente Küche der Schule spielt in der Produktion eine Hauptrolle. Vorspeise, Hauptgang und Dessert für 40 Personen werden unter Leitung von Maria Mann nicht nur fachkundig zubereitet, sondern auch dezent und reibungslos im Verlauf des Stücks serviert. Und als beim Nachtisch mit lautem Krachen eine silberne Platte zu Boden geht, dann hat das nichts mit der Ungeschicklichkeit des „Personals“ zu tun, sondern ist lediglich der mitinszenierte Auftakt zu einem veritablen Mordgeständnis, bei dem sich bittere Tränen mit süßer Erdbeersauce mischen und sich ein bis dahin bescheidener Kellner unversehens als undercover ermittelnder Kommissar zu erkennen gibt.

Alles in allem ist „Nichts Süßes“ also ein Theaterabend, der viel, viel mehr ist, als nur ein Theaterabend, sondern en passent auch noch ein pädagogisches Großprojekt der Sonderklasse mit integriertem Genusseffekt! Applaus und Blumen für alle!

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