1986, als Wolfgang Siegel, Abteilungsleiter der Landesstelle für Technologiefortbildung an den Beruflichen Schulen (BSGG), sein Referendariat absolvierte, waren die ersten Computer gerade in die Schule eingezogen. „E-Learning – elektronisches Lernen – steckte noch in den Kinderschuhen“, so Siegel im Rückblick.
In Händen hielt er das solide Modell eines Drehstrommotors, der als Lernobjekt im Unterricht auch nach über 20 Jahren noch taugt. „Wird der Unitrain dann auch noch funktionieren? Gibt es in 20 Jahren noch Windows?“, fragte er. Der „Unitrain“ nämlich, ein durch Hard-und Software komplex verknüpftes Lernprogramm, das, angeschlossen an Lehrstoffmodule, individuelles Erlernen technischer Basics quasi als universell einsetzbares, digitales Zugpferd ermöglicht, stand am Dienstag im Fokus.
Schüler können mehrere Kanäle nutzen
Fürs Pressefoto nahmen junge Lehrer in Fortbildung aus Botswana probeweise vor dem Gerät Platz. Ab kommendem Schuljahr soll der „Unitrain“ dann tatsächlich im Einsatz sein. Wolfgang Siegel und Martin Gonnermann, Leiter der BSGG sowie auch Leiter der Landesstelle, begrüßten daher Vertreter der Lucas Nülle GmbH sowie deren Stiftung und Norbert Leist vom Hessischen Kultusministerium.
„Es gibt auf Dauer nur eins, was teurer ist als Bildung: Keine Bildung“, zitierte Wolfgang Siegel John F. Kennedy. Fast ebenso weit zurück wie diese Worte reicht nämlich die Zusammenarbeit der Landesstelle für Technologiefortbildung – gegründet 1968 – mit der Lucas Nülle GmbH, die damals schon Partner für die Ausbildung von Lehrern aus Entwicklungsländern war. „Es hat sich seit dem ersten Nülle-Motor vieles geändert. Heute sprechen wir von Industrie 4.0 – individuell, effizient, flexibel und schnell. Dies braucht intelligente Technologien, braucht digitale Lösungen“, legte Volker Hagmann, Beirat der Lucas Nülle GmbH, dar. „Multimediale Lehrmittel“ seien unabdingbar, um betreffs Wirtschaft und Ausbildung weiterhin Spitzenplätze im internationalen Vergleich zu behaupten, so Hagmann. Derweilen hatte Rudolf Fuchs, Gebietsleiter Mitte der Lucas Nülle GmbH, die Installation der Soft- und Hardware fertiggestellt.
„Mit Übergabe des Unitrains an die Landesstelle ist unser unbefristeter Sponsoring-Vertrag freigeschaltet“, freute sich Nülle-Stiftungs-Geschäftsführer Wolfgang Pett. Und Norbert Leist vom Kultusministerium merkte lobend an: „Bundesweit ist die Hessische Landesstelle führend, was die internationale Zusammenarbeit betrifft und sie ist einzige Fortbildungsstelle für Industrie 4.0 – nicht nur inhaltlich sondern auch didaktisch.“ Der „Unitrain“ vereine Aneignung der Theorie mit praktischem Training und Anschaulichkeit durch Animation, so dass der Fortbildungsschüler mehrere Lernkanäle nutzen kann, um einen Sachverhalt zu begreifen, hieß es. „Er basiert auf passgenauer Kommunikation zwischen Soft-und Hardware.
Über 160 Kurse mit auswechselbaren Modulen laufen bereits seit der Einführung des Unitrain 2001“, so Fuchs. Der ganzheitliche Lernansatz vernachlässige die Haptik keineswegs, versicherte er: „Die Labels umfassen praktisches Training für Industrieanwendungen.“ Denn dass ein Mechaniker auch heute fähig sein muss, einen Schraubenzieher zu handhaben, stehe außer Frage, so Lehrer Werner Rixen. Bereits vor mehr als zehn Jahren hielt er einen „Unitrain“-Lehrgang in Thailand ab. Schulleiter Gonnermann resümierte: „Digitalisierte Lernsysteme machen das Lernen unabhängiger, lassen, anders als zentral erstellte Unterrichtsmaterialien, individuelles Tempo und individuelle Vertiefung zu.“
FÜR LEHRER UND FACHKRÄFTE
Die Hessische Landesstelle für Technologiefortbildung, angegliedert an die Beruflichen Schulen, bietet im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und anderer Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit Fortbildung für Lehr- Fach- und Führungskräfte der Elektro- und Umwelttechnik, der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie im Bereich Erneuerbarer Energien an. Die Stiftung der Lucas Nülle GmbH in Kerpen verfolgt wissenschaftliche, gemeinnützige und mildtätige Zwecke. Förderung der Wissenschaft, Forschung und Lehre, besonders der Elektrotechnik und der Naturwissenschaften in der Volks- und Berufsbildung sowie Studentenhilfe ist Ziel, Internationalität, Toleranz und Entwicklungszusammenarbeit sind Basis. (lot)
Groß-Gerauer Echo, 06.07.2016, Charlotte Martin